Abwesenheitsurteil aus der tschechischen Republik reicht nicht notwendig für Auslieferungshaftbefehl

04. 03. 2019 - Wir sind erleichtert, weil alles nach Plan gelaufen ist. Unser Mandant hat sich schon vor einem Jahr der deutschen Justiz gestellt und erklärt, dass er in seinem Heimatland in Abwesenheit zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Wir haben damals eine schriftliche Erklärung zu dem zu erwartenden Auslieferungsverfahren abgegeben. Bis die Tschechische Republik jetzt aufgrund des sog. „Abwesenheitsurteils“ tatsächlich seine Auslieferung zur Strafvollstreckung verlangte, bestand dann für die deutschen Strafverfolgungsbehörden erst einmal kein Grund zum Eingreifen.

Als die Tschechische Republik aber ein Auslieferungsersuchen schickte, lehnte das OLG Karlsruhe den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls ab. Dass sich der Verfolgte vor über einem Jahr freiwillig der deutschen Justiz gestellt hatte, war einer der Gründe, die zentrale Problematik liegt auch in diesem Fall beim sog. „Abwesenheitsurteil“.

Auslieferung und Abwesenheitsurteil

Bei „Abwesenheitsurteilen“ kommt es im Auslieferungsverfahren immer wieder auf Details an. Im Grunde scheint zuerst alles ganz einfach: Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn bei Ersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung die verurteilte Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist (§ 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG). Dann wird es aber komplizierter, denn nach § 83 Abs. 2 Nr. 1a)aa) IRG kann die Auslieferung aufgrund eines Anwesenheitsurteils trotzdem zulässig sein, wenn die verurteilte Person persönlich zu der Verhandlung geladen wurde, die zu dem Urteil geführt hat und einfach nicht erschienen ist.

Was bedeutet „persönlich zu der Verhandlung geladen“? - Notwendig ist eine sichere Kenntnis des Angeklagten vom Hauptverhandlungstermin, weshalb allein der Umstand, dass die Ladung an eine früher als Zustellungsanschrift mitgeteilte Anschrift übermittelt wurde, zum Nachweis des tatsächlichen Erhalts nicht ausreicht (OLG Karlsruhe 301 AR 25/18 21. 02. 2019). Auch der Umstand, dass die Ladung nach dem Recht des ersuchen Staates auch dann wirksam ist, wenn sie an eine von dem Verfolgten früher angegebene Anschrift übermittelt wurde, führt hier zu keiner anderen Bewertung (OLG Karlsruhe 301 AR 25/18 21. 02. 2019). Es muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass der Verfolgte von dem anberaumten Verhandlungstermin Kenntnis hatte und dass er darauf hingewiesen wurde, dass ein Urteil auch in seiner Abwesenheit er gehen kann .

Abwesenheitsurteile in mehreren EU-Staaten

Abwesenheitsurteile gibt es nach wie vor in mehreren EU-Staaten (u.a. Belgien, Italien, Tschechische Republik). Wir werden nicht selten mit europäischen Haftbefehlen konfrontiert, obwohl gar nicht nachweisbar ist, dass der Verfolgte persönlich zu der Verhandlung geladen wurde. Manchmal wurde ihm die Ladung durch Niederlegung oder Ersatzzustellung an Dritte übermittelt, aber das reicht im Auslieferungsrecht eben nicht aus.

Erstreckt sich ein Verfahren im Ausland über mehrere Instanzen, hat der EuGH (Urt. v. 10.8.2017 – C 270/17 PPU (Tupikas) - NStZ 2018, 197) entschieden, dass allein eine Anwesenheit des Verfolgten in erster Instanz nicht ausreicht. Der Verfolgte muß auch in zweiter Instanz persönlich anwesend sein, wenn dort eine umfassende Prüfung der Schuldfrage stattfindet und keine Ausnahme von der Pflicht zum Erscheinenvorliegt.

Da sich viele Europäische Haftbefehle hierzu nicht verhalten, wird künftig im Einzelfall auch aufzuklären sein, wie das Rechtsmittelverfahren im Ausstellungsmitgliedstaat ausgestaltet ist.

Bewährungswiderruf in Abwesenheit

Probleme bei Entscheidungen in Abwesenheit des Verfolgten gibt es auch im Zusammenhang mit einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Wenn dem Verfolgten – manchmal auch trotz Kenntnis seines Wohnsitzes in Deutschland – in anderen EU-Staaten vor einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, ist das nicht akzeptabel.

 

 

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