japanisches Strafprozessrecht verhindert Auslieferung aus Deutschland

Japanisches Strafprozessrecht verhindert Auslieferung aus Deutschland

02.07.2021 - Unser Mandant – US-Amerikaner - wurde nach Monaten am 07. Juni 2021 aus der Auslieferungshaft in Düsseldorf entlassen, die Auslieferung an Japan wurde abgelehnt und das Auslieferungsverfahren in Deutschland wurde beendet.

Ich habe mich seit November 2020 mit dem Auslieferungsverfahren beschäftigt und bin sehr schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zustände des japanischen Justizsystems und der Haftanstalten in Japan  Besonderheiten aufweisen, die einer Auslieferung aus Deutschland entgegenstehen.

Andere Länder liefern an Japan aus, die USA sind mit der Auslieferung zweier eigener Staatsbürger an Japan zuletzt im März 2021 aufgefallen. Ein japanischer Staatsanwalt hatte die USA aufgefordert, die beiden Amerikaner auszuliefern, die dem Ex-Nissan-Chef Carlos Ghosn bei seiner Flucht aus Japan in den Libanon geholfen haben sollen. Die USA haben schon seit 1978 ein bilaterales Auslieferungsabkommen mit Japan, das auch die Auslieferung eigener Staatsangehöriger erlaubt, allerdings nicht zwingend vorschreibt.

Auslieferungsersuchen aus Japan sind in Deutschland selten, obwohl Japan inzwischen häufiger auch INTERPOL einschaltet. Die Thematik einer Auslieferung an Japan ist hierzulande bei Generalstaatsanwaltschaften und den in Auslieferungsverfahren entscheidenden Oberlandesgerichten (OLGs) in Deutschland eher nicht geläufig. OLGs werden regelmäßig auch zum ersten Mal mit der Frage konfrontiert, ob eine Auslieferung an Japan mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (insbesondere mit den Grundrechten) offensichtlich unvereinbar ist. Bis OLGs einen Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt erkennen, vergeht Zeit.

Ich habe in unserem Fall einen in Japan tätigen Rechtswissenschaftler hinzugezogen und habe sehr viel Literaturstudium aufgewendet, um die Eigenheiten des japanischen Justizsystems und der Haftanstalten zu verstehen, die eine Auslieferung aus Deutschland dorthin nicht zulassen. Das japanische Justizsystem hat sich erheblich geändert. Wurde Japan Anfang der 1990er Jahre noch als eines der sichersten Länder und die Strafjustiz noch als „allgemein nachgiebig“ beschrieben, hat sich ab Anfang der 2000er Jahre mit zunehmender Tendenz eine „culture of control“ etabliert (vgl. auch David T. Johnson, Crime and Punishment in Contemporary Japan, 2007).

Michael Tonry, (Japan`s Prosecution System, 2012) beschreibt die Macht der Strafverfolgungsbehörden:  „Prosecutors have more control over life, liberty, and reputation than any other officials in Japan.“ Andere (u.a. Johnson) sprechen wiederholt von „paradise for a prosecutor“.

Im Verfahren vor dem OLG Düsseldorf haben wir dargelegt, dass den Verfolgten in Japan nach deutschen Maßstäben kein faires Verfahren und keine menschenwürdigen Haftbedingungen erwarten.

Den Zustand des japanischen Justizsystems und der Haftanstalten haben auch verschiedene NGO`s bereits abgebildet. Amnesty International stellte im Mai 2009 fest, dass die Untersuchungshaft nicht den internationalen Standards entspricht und dass ein System, bei dem Verdächtige 23 Tage mit nur begrenztem Zugang zu einem Anwalt in Haft gehalten werden können, das Risiko missbräuchlicher Verhörmethoden zum Erlangen von Geständnissen erhöht.

Zwei Jahre später stellte Amnesty International  im „Amnesty Report Japan Mai 2011“ fest: „Das Untersuchungshaftsystem (daiyo kangoku) ermöglichte weiterhin Folterungen und andere Misshandlungen, die darauf abzielten, bei Verhören "Geständnisse" zu erzwingen. Das daiyo kangoku - System gestattet der Polizei die Inhaftierung Verdächtiger über einen Zeitraum von bis zu 23 Tagen“.

Prozessbeobachter in Japan berichten weitergehend, dass in Japan verhaftete Personen zu Geständnissen genötigt werden noch ehe sie einen Anwalt sprechen können und dass das Geständnis in der Praxis der Strafjustiz als "König der Beweismittel" gilt. Fast alle Taten, die Gerichte aburteilen, werden von Angeklagten nicht bestritten, was zu der absurd hohen Verurteilungsrate von 99,9 Prozent führt. Wer in Untersuchungshaft kommt muss damit rechnen, das er darin bleibt, bis er ein Geständnis abgelegt hat. Kritische japanische Rechtsanwälte sollen schon gesagt haben, dass Japans Justiz auf „Geiselnahme“ beruhe bei der der  Verdächtige die Geisel ist, „sein Geständnis das Lösegeld“.

In der Untersuchungshaft in Japan unterliegt der Inhaftierte permanenter Kontrolle und Beobachtung, was den anhaltenden Druck auf ihn erhöht. Untersuchungsgefangene aus westlichen Ländern können die Atmosphäre der Isolierung von Besuchern, permanenter Kontrolle und Reglementierung und ständiger Kommandos in japanischen Haftanstalten nur schwer ertragen. Unmenschliche Haftbedingungen als Auslieferungshindernis sind in Bezug auf Japan mit ganz anderen Maßstäben zu messen als sie die Rechtsprechung des EGMR bisher für Haftbedingungen in westlichen Ländern entwickelt hat.

 

 

 

 

 

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