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06.12.2024 - Wir befassen uns mit mehreren Auslieferungsersuchen aus der Ukraine. Keiner unserer Mandanten ist bis heute ausgeliefert worden. Das Problem ist aber vielschichtig. In der Presse liest man viel über die Auslieferung ukrainischer Kriegsdienstverweigerer aus Deutschland. Die Auslieferung von Kriegsdienstverweigerern bildet tatsächlich nur eine Seite der Medaille ab. Auf der anderen Seite sieht man genauso viele Fälle, in denen die Ukraine wehrpflichtfähige Männer offiziell nicht wegen Kriegsdienstverweigerung ausgeliefert haben will, sondern wegen irgendwelcher allgemeiner Straftaten, aber das Ergebnis wäre das gleiche: Ukrainische Staatsbürger, die wegen einer allgemeinen Straftat an die Ukraine ausgeliefert werden, werden danach im Krieg gegen Russland an die Front geschickt. Und nicht selten gibt es erhebliche Indizien dafür, dass die im Auslieferungsersuchen vorgegebene allgemeine Straftat nur ein konstruierter Vorwand ist, um die Auslieferung durchzusetzen und die Männer an die Front zu kriegen.
Der Ansatz einer allgemeinen – und damit auslieferungsfähigen - Straftat könnte aus der Sicht der Ukraine als notwendig erachtet werden, weil für die Auslieferung die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Straftat nach dem Recht beider Staaten (des ersuchenden und des ersuchten Staates) strafbar sein muss. Das wäre bei der Wehrdienstverweigerung in Deutschland mehr als fraglich.
Die deutschen Oberlandesgerichte, die über Auslieferungen an die Ukraine zu entscheiden haben, beschäftigen sich glücklicherweise sehr gründlich mit diesen Fällen und stellen an eine Auslieferung an die Ukraine hohe Abforderungen, die zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht in früheren Auslieferungsverfahren mit anderen Staaten entwickelt worden sind. Wir hatten inzwischen Fälle, bei denen erst einmal der deutsche Auslieferungshaftbefehl aufgehoben wurde (vgl. OLG Hamm vom 05.11.2024 - - III-2 OAus 119/24), weil die ukrainischen Behörden auf Rückfragen der nicht eingestellt waren. Das betrifft z.B. Fragen des OLG Hamm zu dem Recht des Verfolgten auf persönliche Teilnahme an einer zukünftigen Gerichtsverhandlung bzw. den Einsatz der Videokonferenztechnik, wobei die Bestimmungen von Art. 336 Abs. 2 der ukrainischen Strafprozessordnung aus deutscher Sicht – wegen der Durchführung von „Ferngerichtsverfahren“ – schon fast ein Auslieferungshindernis abbilden.
Fraglich ist auch, ob das Kriegsrecht für das gesamte Gebiet der Ukraine gilt, also auch in den Teilen, in denen es keine aktiven Kriegshandlungen gibt. Ungeklärt sind auch Angaben zu den in der Ukraine in Betracht kommenden Haftanstalten, in denen eine etwaige Strafhaft voraussichtlich vollstreckt würde, nämlich zu den Haftbedingungen, insbesondere Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume, insbesondere Angaben zu Fenstern und Frischluftzufuhr, Belegung der Hafträume, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung.
Aber Status Quo ist nach wie vor bei deutschen Oberlandesgerichten, dass die Auslieferung der Verfolgten in die Ukraine nicht von vornherein als unzulässig erscheint. Bei dem OLG Hamm haben wir auch in anderen Fälle von Außervollzugsetzung von Auslieferungshaftbefehlen (vgl. u.a. 29.10.2024 III – 2 OAus 74/24 - ) gesehen, dass die zu erwartenden Haftbedingungen problematisch sind, wobei u.E. auch das Rundschreiben des Bundesamtes für Justiz vom 18.10.2024 zu den zu erwartenden Haftbedingungen in der Ukraine keine abschließende Lösung darstellen kann. Ob die Ukraine Bedenken mit völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen ausräumen kann, bleibt offen.
Das OLG Hamm hat auch jetzt gerade im November (vgl. 05.11.2024 - III-2 OAus 86/24) sehr detailliert zu den Haftbedingungen nachgefragt, und die aufgrund des Krieges oft sehr großen (uE "unrealistischen") Entfernungen von vielen hundert Kilometern zwischen Untersuchungshaftanstalt und Gerichtsort strapaziert.
Wegen der Auslieferung trotz drohenden Kriegsdienstes in der Ukraine ist auch noch die Vorlage des OLG Dresden zum BGH (Beschluss vom 9.8.2024 – OAus 174/24) abzuwarten. In einer älteren Entscheidung hatte der BGH klargestellt, dass das Grundrecht auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe die Unzulässigkeit einer Auslieferung begründet, wenn sie dazu führt, dass der Verfolgte unmittelbar nach Verbüßung der Strafe wegen eines auslieferungsfähigen Delikts, ohne zuvor das Land verlassen zu können, zum Kriegsdienst mit der Waffe herangezogen wird. Der BGH hatte unter anderem ausgeführt, das Grundrecht aus Art. 4 III GG gelte nicht nur für Personen, die in Deutschland wehrpflichtig sind, und betreffe nicht nur die Verweigerung des Dienstes mit der Waffe in der Bundeswehr. Es sei vielmehr ein auf dem Grundrecht der Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit beruhendes allgemeines Grundrecht, das ohne Einschränkung für jeden gelte, der zum Kriegsdienst mit der Waffe herangezogen werden könne.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. - Düsseldorf