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In einem seit 2020 umkämpften Verfahren hat das OLG Hamm (III-2 Ausl 49/21) am 25.04. 2023 die Auslieferung eines in Deutschland lebenden Griechen zur Strafvollstreckung an Italien abgelehnt.
Dem Auslieferungsersuchen lag ein Abwesenheitsurteil aus Italien mit einer hohen Freiheitsstrafe zu Grunde. Wir haben für den Verfolgten die Defizite des italienischen Strafverfahrens im konkreten Fall aufgezeigt und konnten uns dabei auf ein früheres Urtewil des Bundesverfassungsgerichts stützen. Das OLG Hamm hat sich dann über die GenStA in Italien sehr gründlich um Aufklärung bemüht und von der Staatsanwaltschaft Ancona eine klare Stellungnahme verlangt, wie genau das Abwesenheitsurteil in Ancona damals zustande gekommen ist. Für den Verfolgten haben wir ein Auslieferungshinderniss nach § 83 IRG geltend gemacht. Seit Mai 2021 wurden die italienischen Strafverfolgungsbehörden mehrfach mit Anfragen aus Deutschland konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft in Ancona ließ sich mit den Antworten sehr viel Zeit. Am Ende konnte das OLG Hamm die Ausnahmetatbestände für Abwesenheitsurteile § 83 II-IV IRG in den Antworten aus Italien nicht finden und hat die Auslieferung für unzulässig erklärt.
Schon früher hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht in einer spektakulären Entscheidung aus Dezember 2015 (- 2 BvR 2735/14) in einem ähnlich strukturierten Fall eine Auslieferungsentscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben. In dem Verfahren hatte der Verfolgte wegen eines Abwesenheitsurteils aus Italien auch eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2 I und II S. 2, Art. 3 und Art. 103 I GG, seines Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG, Art. 6 III EMRK geltend gemacht sowie eine Verletzung der nach Art. 25 GG verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK. Auch da hatte der Verfolgte zu keinem Zeitpunkt davon Kenntnis, dass in Italien eine gerichtliche Hauptverhandlung gegen ihn stattfand. Und nachher während des Auslieferungsverfahrens wurde von Italien auch nicht gewährleistet, dass ihm nach seiner Auslieferung das Recht auf ein Gerichtsverfahren eingeräumt werde, in dem die Tatvorwürfe in seiner Anwesenheit erneut in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft würden.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seiner Entscheidung aus Dezember 2015 (- 2 BvR 2735/14) den Schuldgrundsatz herausgestellt, der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht und in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert ist (Art. 1 I GG) und vor Eingriffen durch öffentliche Gewalt geschützt ist und einer Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils entgegensteht.
Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) begründet ein Auslieferungshindernis. Jede Strafe setzt nach dem Rechtsstaatsprinzip Schuld voraus. Und die Verwirklichung des Schuldgrundsatzes ist gefährdet, wenn die Ermittlung des wahren Sachverhalts nicht sichergestellt ist, was grundsätzlich die Anwesenheit des Angeklagten in der Gerichtsverhandlung voraussetzt. Die durch den Schuldgrundsatz gebotenen Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess sind auch bei der Entscheidung über die Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils zu beachten.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. - Düsseldorf