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Düsseldorf, 25.09.2015 - Strafverteidiger, Europäischer Haftbefehl Dem deutschen Strafprozeß sind Verurteilungen in Abwesenheit des Angeklagten und überhaupt "Abwesenheitsurteile" "fast" fremd und vom Prinzip her mit dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Zwar gibt es auch im deutschen Strafverfahren Teile einer gerichtlichen Hauptverhandlung, die in Abwesenheit des Angeklagten stattfinden können, z.B. bei dessen herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit (§ 231a StPO), bei seiner Abwesenheit wegen ordnungswidrigen Benehmens (§ 231b StPO) und wir kennen die Beurlaubung des Angeklagten (§ 231c StPO), bei begrenzten Sanktionen die Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten (§ 232 StPO) und auch die Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zu erscheinen (§ 233 StPO). Aus anderen europäischen Ländern (z.B. Belgien, Italien, Rumänien) kennen wir aber richtige "Abwesenheitsurteile", von denen der Verfolgte gar nichts wußte, ebenso wie von der Existenz eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens überhaupt. Solche "Abwesenheitsurteile" kreuzen immer wieder im Auslieferungsverkehr auf und um sie kümmert sich seit je her eine stark differenzierende Rechtsprechung. Für den Geltungsbereich des Europäischen Haftbefehls ist die Auslieferung nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG nicht zulässig, wenn das dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Urteil in Abwesenheit des Verfolgten ergangen ist und der Verfolgte zu dem Termin nicht persönlich geladen war oder nicht auf andere Weise von dem Termin unterrichtet worden war. Das ist aber nur der vom Gesetz vorgesehene Grundsatz, von dem das Gesetz gleichzeitig wieder Ausnahmen zuläßt. Die erste Einschränkung gilt für die sog. "Fluchtfälle", bei denen der von einem Strafverteidiger verteidigte Verfolgte in Kenntnis des gegen ihn gerichteten Verfahrens eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat. Die zweite Einschränkung erfolgt, wenn dem Verfolgten von dem ersuchenden Staat nach seiner Überstellung das Recht auf ein ganz neues Gerichtsverfahren in seiner Anwesenheit eingeräumt wird. Das deutsche Gericht muß als erstes aufklären, wie das ausländische "Abwesenheitsurteil" zustande gekommen ist. Das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt auch im Auslieferungsverfahren die Aufklärung von Sachverhalten, die der Auslieferung möglicherweise entgegenstehen. Verlangt ein Mitgliedstaat die Auslieferung zur Vollstreckung aus einem "Abwesenheitsurteil" und bestreitet der Verfolgte, Ladungen zu einer Gerichtsverhandlung überhaupt erhalten zu haben, z.B. weil er zum Zeitpunkt der Ladung bereits in Deutschland lebte, dann muß das deutsche Gericht aufklären, ob der Verfolgte wirklich sichere Kenntnis vom Hauptverhandlungstermin hatte. Hatte der Verfolgte tatsächlich keine sichere Kenntnis vom Hauptverhandlungstermin, ist zunächst von einem Auslieferungshindernis auszugehen. Allerdings kann das Zulässigkeitshindernis nach § 83 Nr. 3 IRG trotzdem dadurch ausgeräumt werden, daß dem Verfolgten vom ersuchenden Staat das Recht auf ein neues Verfahren eingeräumt wird. Dazu gibt es eine umfangreiche - teils kontroverse - Rechtsprechung im Detail, die Sie bei "Entscheidungen" auf dieser Seite finden und in der "Länderliste" zu einzelnen Ländern. |
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. - Düsseldorf