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Auslieferung an Frankreich - Frankreich ist im Einzugsgebiet des Europäischen Haftbefehls. Eine Auslieferung an Frankreich ist seit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten möglich und zwar auch wegen fiskalischer Straftaten.
Auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls ist auch die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger zur Strafverfolgung an Frankreich möglich. Vorläufige Auslieferungshaft kann in Deutschland angeordnet werden, wenn im konkreten Einzelfall zum Beurteilungszeitpunkt eine Auslieferung an Frankreich nicht unzulässig erscheint.
Das OLG Hamm (2 Ausl 74/21) hat mit Entscheidung vom 08.02.2022 die Auslieferung des Verfolgten von Deutschland nach Frankreich für unzulässig erklärt und das im Hinblick auf die in Frankreich zu erwartenden Haftbedingungen mit einem Auslieferungshindernis gemäß § 73 IRG begründet. Es ist bekannt, dass die Haftbedingungen in Frankreich zu den schlechtesten in Europa gehören und trotzdem ist jede Unzulässigkeitsentscheidung eine Einzelfallentscheidung, für die man viel tun muss. Das OLG Ham hat in diesem Zusammenhang die von mir erstrittene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01.12.2020 (2 BvR 2100/18) herangezogen, wonach die Haftbedingungen in allen konkreten Haftanstalten, in denen die betroffene Person nach den vorliegenden Informationen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, sei es auch nur vorübergehend oder zu Übergangszwecken, inhaftiert werden wird, vollumfänglich in einer Gesamtwürdigung zu prüfen sind.
In Frankreich ist der Untersuchungsrichter für den Erlass eines Haftbefehls zuständig, er kann aber auch von einem erstinstanzlichen Gericht erlassen werden. Haftbefehle gegen bereits verurteilte Personen werden vom sog. „Strafvollzugsrichter“ erlassen. Der Erlass eines Haftbefehls zur Strafverfolgung setzt schwerwiegende Verdachtsmomente voraus. Das Französische Recht kennt die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls gegen Kaution oder bei Anordnung von Meldepflichten. Gegen den Haftbefehl gibt es mehrere Rechtsmittel, insbesondere die Beschwerde.
Frankreich kennt zwar grundsätzlich auch ein Gnadenverfahren, hat aber eine ganze Reihe von Straftatbeständen von der Möglichkeit der Begnadigung ausgenommen, nämlich u.a. Tötungsdelikte, terroristische Straftaten, schwere Drogendelikte, Korruptionsdelikte und Verbrechten und Vergehen gegen Minderjährige. Die Aufzählung ist nicht vollständig.
OLG Karlsruhe (Beschl. v. 24.08.2016 - 1 AK 71/16) zur Auslieferung an Frankreich, insbesondere zur Frage der innerdeutschen gerichtlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Auslieferung nach Frankreich.
Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 1.9.2016 – 2 BvR 770/16) zur Auslieferung an Frankreich. Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung nach Frankreich zum Zwecke der Strafverfolgung. Der Beschwerdeführer scheiterte an Mängeln seiner Begründung.
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 11.08.2016 - 1 AK 28/16) zur Auslieferung an Frankreich, insbesondere zum Inlandsbezug der Straftat: „Die Prüfung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 80 IRG hat nicht nur anhand des Inhalts des Auslieferungsversuchens zu erfolgen, sondern deren Bestimmung ist aufgrund einer vollständigen Berücksichtigung und Abwägung aller bekannten Umstände unter Einbeziehung vorhandener Ermittlungsergebnisse nebst dem Sachvortrag des Verfolgten vorzunehmen. 2. Hat der deutsche Staatsangehörige neben gewichtigen eigenen Tathandlungen im Ausland auch solche im Inland in nicht unwesentlichem Umfang begangen, ist im Zweifel von einem "Mischfall" nach § 80 Abs.2 Satz 1 Nr. 3 IRG und Satz 3 IRG auszugehen und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Dabei sind insbesondere das Gewicht des Tatvorwurfs und die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen“.
Das System "Europäischer Haftbefehl" wir vielfach von "Europa-Gegnern" - vor allem in England - kritisiert, weil die Haftbedingungen in einigen europäischen Ländern (u.a. Bulgarien, Rumänien, Ungarn) weit hinter EMRK-gemäßen Bedingungen zurückbleiben, gleichwohl aber die Gefahr der Auslieferung eigener Staatsbürger dorthin besteht.
Auch die Haftbedingungen in Frankreich sind als extrem schlecht bekannt, wobei das - soweit ersichtlich - bisher in Auslieferungsverfahren nicht richtig aufgegriffen wurde. Es gibt in vielen Gefängnissen erhebliche Überbelegungen (u.a. Fresnes 1.200/2.400, landesweit im Verhältnis 1.000/1.180) und es kommt vor, dass sich drei Männer eine Neun-Quadratmeter-Zelle teilen. Die Gebäude sind alt, die sanitären Einrichtungen katastrophal.
Beim EGMR in Straßburg sind derzeit ca. 40 Verfahren deswegen anhängig. In Fresnes / Frankreich wurden Ermittlungsverfahren gegen Gefängnispersonal wegen Korruption, Geldwäsche und Komplizenschaft eingeleitet.
Einer Auslieferung an Frankreich stehen m.E. die strukturellen und systematischen Missstände im Untersuchungshaft- und Strafvollzug in Frankreich im Wege. Insbesondere muss dort m.E. auch – abgesehen vom total veralteten Zustand vieler Haftanstalten – die permanente Überbelegung zu massiven hygienischen Problemen führen und dazu, dass der erforderliche Mindestraum in Haftanstalten nicht gewährleistet ist.
Wegen unwürdiger Haftbedingungen in überfüllten Gefängnissen ist Frankreich im Januar 2020 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Entschädigungszahlungen verurteilt worden. Die Zustände in verschiedenen Gefängnissen verstießen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Der EGMR hat Frankreich im Januar 2020 empfohlen, Schritte gegen die Überbelegung von Gefängnissen einzuleiten und dafür zu sorgen, dass unterdrückten Beschwerden von Insassen besser nachgegangen wird.
Die Verurteilung Frankreichs war 2020 auch schon Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage an die europäische Kommission gem. Artikel 138 der Geschäftsordnung (54k10k P-000913/2020), die – soweit ersichtlich - bisher nicht beantwortet wurde.
Die Missstände in französischen Gefängnissen haben auch die deutsche Tagespresse erreicht. So schrieb die „Rheinische Post“ schon 2018 unter der Überschrift „Frankreichs verrottete Gefängnisse“ - RP vom 23.04.2018 – auszugsweise wie folgt: „Paris - In den Haftanstalten herrschen unhaltbare Zustände. ....“. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat im März 2020 unter der Überschrift „Coronavirus: In Frankreich rebellieren die Gefangenen“ von den Auswirkungen des Covid19-Virus in den Haftanstalten berichtet. Frankreich ist eines der am stärksten betroffenen europäischen Länder der weltweiten COVID-19-Pandemie. Bis Mitte April 2020 hatte sich die Krankheit auf das ganze Land ausgedehnt. Frankreich gehört neben England, Italien und Spanien zu den europäischen Ländern mit den meisten COVID-19-Toten.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. - Düsseldorf