Auslieferung an Italien

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Eine Auslieferung an Italien ist auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls möglich. Tatsächlich gibt es regen Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und Italien.

Reger Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und Italien 

Es kommt auch für deutsche Staatsangehörige eine Auslieferung an Italien  in Betracht, aber nur zur Strafverfolgung, nicht zur Strafvollstreckung. Generell gilt, dass auf der Grundlage eines EU Haftbefehls ein deutscher Staatsbürger nur zur Strafverfolgung an einen Mitgliedsstaat ausgeliefert wird, während eine Strafvollstreckung in Deutschland erfolgen soll.

Im Zusammenhang mit der Auslieferung an Italien sind aber die von Deutschland abgegebenen besonderen Vorbehalte und Erklärungen in Bezug auf Italien zu beachten.

 Eine Auslieferung an Italien wegen fiskalischer Straftaten aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ist möglich. Der Europäische Haftbefehl wird zwischen den deutschen Justizbehörden und dem italienischen Justizministerium ausgetauscht. Vorläufige Auslieferungshaft kann in Deutschland im Vorgriff auf eine Auslieferung an Italien aufgrund eines Europäischen Haftbefehls angeordnet werden.

Prozessrecht in Italien

In Italien hat die Polizei weitgehende Befugnisse zur Verhaftung von Verdächtigen, wobei die Maßnahmen aber innerhalb von 48 Stunden durch einen Richter bestätigt werden müssen. Italien hat ein aus mehreren Instanzen bestehendes System von Rechtsmitteln gegen einen Haftbefehl. Im Strafprozess in Italien gilt der Grundsatz der Selbstanschuldigungsfreiheit. Im Ermittlungsverfahren gibt es aber praktisch keine Anwesenheitsrechte des Beschuldigten oder seines Verteidigers bei Vernehmungen oder anderen Ermittlungshandlungen, es sei denn, diese werden von einem Richter durchgeführt, um ihre spätere Verwertbarkeit in der Hauptverhandlung zu sichern. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der in Deutschland.

Haftbedingungen in Italien

Haftbedingungen in Italien sind aber mit denen in Deutschland nicht zu vergleichen, italienische Haftanstalten leiden an chronischer Überbelegung. Deshalb war es keine Überraschung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Sache Torreggiani u.a ../. Italien (EGMR v. 08.01.2013, Torreggiani u.a../. Italien) eine Verletzung des Art. 3 EMRK festgestellt hat. Gerügt wurden Überbelegung, fehlender Zugang zu heißem Wasser und teilweise auch mangelndes Licht in den Zellen. Festgestellt wurden systemische Mängel. Im Wege eines Piloturteils setzte der EGMR Italien gemäß Artikel 46 EMRK eine Frist von einem Jahr, innerhalb derer die Haftbedingungen den Anforderungen der EMRK angepasst werden müssen. In einem späteren Urteil hat der EGMR (EGRM v. 25.09.2014) festgestellt, dass Italien inzwischen schon Maßnahmen unternommen hat, um die strukturellen Mängel zu beseitigen. Der Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und Italien dauert an.

Abwesenheitsurteil

In jüngerer Zeit betraf eine der wichtigsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Auslieferungsrecht die Auslieferung aufgrund eines italienischen Abwesenheitsurteils (BVerfG - 2 BvR 2735/14 -). Der Verfolgte hatte im Detail dargelegt, dass ihm das italienische Prozessrecht entgegen der Auffassung des Generalstaatsanwaltes nicht die Möglichkeit eröffnet, nach einer Auslieferung eine erneute Beweisaufnahme zu erwirken. Das Oberlandesgericht hätte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichen lassen dürfen, dass eine erneute Beweisaufnahme in Italien „jedenfalls nicht ausgeschlossen sei“. Der Verfolgte muss nach einem Abwesenheitsurteil im ersuchenden Staat garantiert die Möglichkeit haben, auf das Verfahren einzuwirken und sich zu verteidigen (BVerfG - 2 BvR 2735/14 -).

OLG Braunschweig (Beschluss vom 27.09.2016 - 1 AR (Ausl.) 10/16 ) zur Auslieferung an Italien, insbesondere zur Zulässigkeit der Auslieferung zur Strafvollstreckung nach Italien trotz drohender lebenslanger Freiheitsstrafe und trotz vorausgegangener Verurteilung und Strafvollstreckung in Bosnien Herzegowina wegen derselben Tat.

OLG Stuttgart zum italienischen Abwesenheitsurteil: 1. Ein "Fluchtfall" im Sinne von § 83 Nr. 3 IRG setzt voraus, dass der Verfolgte sich bewusst dem Verfahren entzieht, um eine Strafverfolgung zu vereiteln. Ein bloßer Wechsel des Aufenthaltsorts innerhalb der EU genügt hier nicht. 2. Liegt ein "Fluchtfall" nicht vor, so ist die Auslieferung des Verfolgten an einen Mitgliedstaat der EU zur Vollstreckung eines auf Verhandlung in Abwesenheit ergangenen Strafurteils ohne wirkungsvolle Einräumung des Rechts auf ein neues Gerichtsverfahren auch dann unzulässig, wenn unter Zugrundelegung der Regelungen des IRG über die vertraglose Rechtshilfe, des EuAlÜbk und des 2. ZP rechtsstaatliche Mindeststandards gewahrt gewesen wären (hier: fehlende Kommunikation des Verfolgten mit einem von ihm im ersuchenden Staat gewählten Verteidiger). - OLG Stuttgart, Beschl.v. 09.01.2008 - 3 Ausl. 134/07

OLG Hamm: Die Auslieferung nach Italien zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aus einem Abwesenheitsurteil ist nach § 80 III Nr. 1 und Nr. 2 IRG nur zulässig, wenn der Verfolgte, der in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und entweder hier aufgewachsen ist oder bereits als Minderjähriger seinen rechtmäßig gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt oder besessen hat, auch nur zulässig, wenn er nach entsprechender Belehrung im richterlichen Protokoll der Auslieferung zugestimmt hat. Stimmt er nicht zu, ist der Auslieferungshaftbefehl aufzuheben. - OLG Hamm, Beschl. v. 17.02.2005, 4 Ausl. A 94/04.

 

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